Menschenrechtsaktivistin Marfa Rabkowa zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt
Marfa Rabkova, politische Gefangene, ehemals Koordinatorin des Freiwilligendienstes des Menschenrechtszentrums Viasna, wurde zu 15 Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe von fast 9.000 Euro verurteilt.
Zwei Jahre verbrachte die 27-Jährige bereits in einem Untersuchungsgefängnis. Während dieser Zeit starben ihr Vater und ihre Großmutter und sie selbst hat mit schweren gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Nun hat Marfa Rabkowa die härteste Strafe erhalten, die jemals eine Menschenrechtsaktivistin in Belarus bekam. Ihre Abschlussrede vor Gericht wurde hinter verschlossenen Türen gehalten. Deshalb lesen nun Marfas Kolleg*innen und Freunde, Mitarbeiter*innen von Viasna ihr letztes Wort vor, um ihre Stimme laut und stark in die Welt hinauszutragen. Wir veröffentlichen Auszüge aus der aufwühlenden Rede dieser mutigen jungen Frau:
Wir leben in einem Zeitalter der umgekehrten Wahrheiten: Das Gute wird bestraft, das Böse wird verherrlicht, der Begriff der Freiheit wird auf die Grenzen des eigenen Bewusstseins eingeengt. Gedankenverbrechen existieren nicht mehr bloß in literarischen Anti-Utopien, sondern gedeihen in der belarusischen Realität.
Wie viel Mut braucht es, um nichts Böses zu tun? Wie viel Mut braucht es, um im eigenen Einflussbereich nach dem universellen moralischen Kanon zu handeln? Was braucht es, um den Teufelskreis des Bösen zu stoppen? Was wird uns allen bleiben, wenn alles vorbei ist? Was werden wir unseren Kindern und Enkelkindern erzählen? Was werden Sie in dieser Welt zurücklassen?
Ich plädiere auf nicht schuldig in Bezug auf alle Anklagepunkte. Ich erachte sie als völlig konstruiert, abstrus und von den Behörden in ihrer Gänze erfunden. Ich halte auch die Tausenden von Menschen, die in den Gefängnissen unseres Landes darben, für unschuldig. Jeder Mensch hat Rechte, jeder Mensch ist ein Individuum, jede Meinung muss respektiert werden, und Leben und Freiheit sind das höchste Gut überhaupt. Das belarusische Volk verdient einen angemessenen Lebensstandard, eine respektvolle Einstellung, die Einhaltung der Rechte jedes Mitglieds der Gesellschaft, und einen Staat, der für die Menschen arbeitet und nicht gegen sie.
Ich habe so viele gutmütige und strahlende Gesichter gesehen, ich habe so viele echte Menschen gesehen, dass ich mir sicher bin, dass wir das durchstehen werden, es kann gar nicht anders sein. Jedes Mal, wenn wir einander helfen, jedes Mal, wenn wir uns kümmern, jedes Mal, wenn wir eine helfende Hand reichen, jedes Mal, wenn wir Solidarität zeigen, jedes Mal, wenn unser Herz nicht taub ist für den Schmerz der anderen, bringen wir unsere Zukunft, unser Belarus näher. Verzweifelt nicht und glaubt an euch selbst, an eure eigene Kraft! Die Wahrheit ist auf unserer Seite! Es lebe Belarus und Ruhm der Ukraine!