Jahrestag der gestohlenen Wahlen in Belarus
Seit den letzten Präsidentschaftswahlen in Belarus ist genau ein Jahr vergangen. Der Präsidentschaftswahlkampf fand in einem Kontext statt, in dem die oppositionelle Stimmungslage stärker war als je zuvor in der Geschichte des Landes. Als Reaktion auf die gefälschten Wahlen, aufgrund derer Lukaschenko an der Macht blieb, brachen überall im Land friedliche Proteste aus. Bei der Auflösung der Proteste und der Festnahme ihrer Teilnehmer zeigten die Sicherheitskräfte extreme Härte, Tausende von Menschen wurden festgenommen. Oppositionsführer*innen wurden festgenommen oder aus dem Land deportiert.
Die Weltgemeinschaft, die EU, die USA und Kanada erkennen die Wahlergebnisse nicht an, sondern unterstützen die friedlichen Belarus*innen und fordern das Lukaschenko-Regime zu Neuwahlen auf.
Heute sagte die belarusische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja zu den Belarus*innen von Vilnius: „Vor einem Jahr hat Belarus eine Entscheidung getroffen. Aber wir haben uns nicht dafür entschieden, aus unserem Land vertrieben zu sein, Mitbürger*innen zu verlieren oder Briefe an unsere Verwandten und Freund*innen im Gefängnis zu schreiben. Am 9. August 2020 haben wir erkannt, dass die Zukunft unseres Heimatlandes in unseren Händen liegt. <…> In all diesen Monaten haben wir, die Belarus*innen, jeden Tag die Entscheidung getroffen, ungeachtet von Erschöpfung und Zweifeln weiterzumachen. <…> Es ist eine Entscheidung für den Sieg, für die Wiedererlangung unserer Würde und unserer Stimme.
US-Präsident Joe Biden hielt zum Jahrestag der Präsidentschaftswahlen in Belarus eine Ansprache. „Anstatt den klaren Willen des belarusischen Volkes zu respektieren, beging das Lukaschenko-Regime Wahlbetrug, gefolgt von einer brutalen Unterdrückungskampagne, um abweichende Meinungen zu unterdrücken. Von der Verhaftung Tausender friedlicher Demonstrant*innen über die Inhaftierung von mehr als 500 Aktivist*innen, führenden Vertreter*innen der Zivilgesellschaft und Journalist*innen als politische Gefangene bis hin zur erzwungenen Umleitung eines internationalen Fluges in einem Affront gegen globale Normen sind die Maßnahmen des Lukaschenko-Regimes ein unrechtmäßiger Versuch, um jeden Preis an der Macht zu bleiben“, betonte Präsident Biden.
Die US-Botschafterin in Belarus Julie Fischer gab eine Erklärung zum Jahrestag der gefälschten Präsidentschaftswahlen und dem Beginn der Massenproteste ab. Nach Ansicht der Botschafterin stellen die Ereignisse vom 9. August 2020 einen Wendepunkt für Belarus dar. An diesem Tag ging eine Rekordzahl von Belarus*innen an die Urnen, um ihre Stimme für ein neues Belarus mit einer neuen Führung abzugeben. Gleichzeitig wurde die ganze Welt Zeuge der Ungerechtigkeit und der Opfer, die das Lukaschenko-Regime verursacht hat. Fischer betonte, dass die USA zusammen mit der EU, dem Vereinigten Königreich und Kanada für die Grundfreiheiten der belarusischen Bürger*innen eintreten.
Die ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Viktor Babariko und Sergei Tichanowski, die seit mehr als einem Jahr hinter Gittern sitzen, übermittelten Kurzbotschaften zum Jahrestag der Präsidentschaftswahlen 2020.
Sergei Tichanowski schreibt: „Die Belarus*innen haben die Solidarität entdeckt, sich zum ersten Mal als Nation erlebt und fanden große Unterstützung im Ausland. Es gibt sogar eine weltweite Werbekampagne für Belarus. Nach dem Sieg der Demokratie, der unvermeidlich ist, werden wir diesen Weltruhm für die dynamische Entwicklung unseres Staates nutzen können. Ich sage dies als Werbefachmann mit 15-jähriger Erfahrung. Holt euch den Sieg!“
Viktor Babariko übermittelte eine Nachricht aus der Strafkolonie Nawapolazk, wohin er nach seiner Verurteilung zu 14 Jahren Haft verlegt worden war. „Ich wollte nie so sehr in Belarus bleiben und leben, wie ich es jetzt möchte“, sagt der politische Gefangene. „Und obwohl ich das Land seit dem 18. Juni letzten Jahres [dem Tag, an dem er von den Sicherheitskräften festgenommen wurde] nicht mehr gesehen habe, verstehe ich: Das Bild des zukünftigen Belarus, das ich in meinem Kopf habe, wird von so vielen Menschen geteilt“.