In Belarus beginnt der „Gerichtsprozess“ gegen Swetlana Tichanowskaja – in Abwesenheit
Am 17. Januar begann der „Gerichtsprozess“ – in Abwesenheit – gegen Swetlana Tichanowskaja und die anderen Angeklagten im Fall des „Koordinationsrates“: Maryja Maroz, Pavel Latuschka, Wolha Kawalkowa und Sjarhej Dyleuski. Ihnen werden gleich 12 Anklagepunkte zur Last gelegt, die von der Teilnahme an Massenunruhen bis hin zum Hochverrat reichen.
Keiner der Angeklagten erschien vor dem „Gericht“. Sie befinden sind alle nicht in Belarus. Swetlana Tichanowskaja, die 2020 als belarusische Präsidentin gewählt wurde, kommentierte diese „Farce“ und „Rechtsverletzung“, während sie das Land auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos vertrat:
Mein Team und ich haben nicht viel über den Prozess herausfinden können. Ich habe von dem Prozess aus den Medien erfahren, nicht aus einer offiziellen Mitteilung. Mir wurde das Recht verweigert, an der Anhörung teilzunehmen und Kopien der Anklage und des Protokolls zu erhalten. Der beauftragte Anwalt hat sich trotz meiner Versuche, ihn zu kontaktieren, nie gemeldet. Ich weiß, dass ihr mit eurem Verhalten versucht, mich einzuschüchtern und zu diskreditieren. Aber ihr liefert damit nur direkte Beweise für eure Verbrechen gegen die Menschen von Belarus.
Vor drei Jahren hätte ich nicht gedacht, dass ich jemals in Abwesenheit vor Gericht angeklagt werden würde. Aber ich hätte auch nie gedacht, dass ich die Ehre haben würde, unser Land und die Zukunft seiner Wirtschaft zum ersten Mal seit 30 Jahren auf dem wichtigsten Wirtschaftsforum in Davos zu vertreten.
Ende letzten Jahres begannen in Belarus „Gerichtsprozesse“ in Abwesenheit. So wurden am 26. Dezember die dreifache Olympiamedaillengewinnerin Aleksandra Herasimenia und der Sportfunktionär Aljaxandr Apejkin in Abwesenheit zu 12 Jahren Haft verurteilt. „In Abwesenheit könnt ihr mich sogar erschießen!“, reagierte die Sportlerin auf das Urteil. Im selben Fall wie der Nobelpreisträger Ales Bialiatski und die Menschenrechtler Waljanzin Stefanowitsch und Uladsimir Labkowitsch wurde in Abwesenheit auch ihr Kollege Dsimitry Salaujou „angeklagt“, der wegen der Strafverfolgung Belarus verlassen musste.
Im Juli 2022 unterzeichnete Alexander Lukaschenko ein Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung, um Belarusen im Ausland in Abwesenheit zu „verurteilen“, sogar zum Tode durch Erschießung. Am 13. Dezember haben die „Volksvertreter“ im Abgeordnetenhaus in zwei Lesungen Änderungen am Staatsbürgerschaftsgesetz verabschiedet. Wenn diese vom Rat der Republik angenommen und von Lukaschenko unterzeichnet werden, kann das Regime infolge der in Abwesenheit geführten „Prozesse“ wegen „extremistischer“ Gesetzesartikel Belarusen im Ausland die Staatsbürgerschaft entziehen.
In der Zwischenzeit wurde der politische Gefangene Sjarhej Tichanowski, der bereits eine 18-jährige Haftstrafe verbüßt, am 16. Januar in einem neuen Fall angeklagt, da er ein „Verbrechen gegen die Justiz“ begangen haben soll. Ihm wird vorgeworfen, während der Haft angeblich gegen die Ordnung der Strafvollstreckung verstoßen zu haben, nicht auf die berechtigten Forderungen der Verwaltung eingegangen zu sein, unhöflich gegenüber den Mitarbeitern gewesen zu sein und andere Häftlinge zu Konflikten provoziert zu haben. Ihm droht eine neue Gefängnisstrafe von bis zu 2 Jahren.