Hat Lukaschenko eine Chance, die Beziehungen zur EU zu verbessern?
Lukaschenko fordert die Europäische Union zu gutnachbarlichen Beziehungen auf und militarisiert gleichzeitig Belarus. Er beabsichtigt, die Zusammenarbeit wiederaufzubauen, will aber nicht von seiner aggressiven Außen- und repressiven Innenpolitik abkehren. Gelingt es dem Regime, sich mit dem „kollektiven Westen“ wieder anzufreunden? Antworten auf diese Fragen gibt in einem Interview mit Malanka Media der belarusischstämmige Historiker und Politikanalytiker Dr. Alexander Friedman.
Lukaschenkos Regime signalisiere offen seinen Wunsch, den Dialog wieder aufzunehmen, stellt Friedman fest. Hier setze das Regime auf das freundliche Ungarn, die Beziehungen zu dem sich positiv entwickeln. Auf europäischer Seite bestehe aber kein Wunsch nach öffentlichem Dialog, der Fall Ungarn sei eher eine Ausnahme. Möglicherweise würden Gespräche unter der Hand weiter geführt, aber eine öffentliche Kommunikation ebenso wie eine Erwärmung in den Beziehungen bleiben aus.
„Meiner Meinung nach haben die EU-Politiker und Lukaschenko im Moment nichts zu vereinbaren, es gibt keine Möglichkeit, zu Kompromissen zu kommen. Darüber hinaus wird Europa von der Ansicht dominiert, dass Lukaschenko eine unbedeutende Figur sei, die weder für Europa relevante politische Prozesse noch den Krieg in der Ukraine, ja nicht einmal die Migrationskrise beeinflusse. Absprachen mit Lukaschenko wären somit kaum sinnvoll, weil seine Möglichkeiten, sie dann auch umzusetzen, begrenzt sind. Also gibt es keine diesbezügliche Bewegung von europäischer Seite“, sagt der Politikanalytiker.
Bei allem Wunsch habe die Europäische Union wenig Möglichkeiten, auf das Lukaschenko-Regime einzuwirken, meint Friedman. Es gibt Mechanismen der Sanktionen, sie wurden in Gang gesetzt und weitere dürften noch folgen, aber es sei nicht wirklich zielführend: Die Sanktionen wirken sich auf die Wirtschaft aus, aber nicht auf die Politik der Staatsmacht. Um Veränderungen in Belarus, zumindest die Freilassung einer gewissen Anzahl politischer Gefangener zu bewirken, fehlen also wirksame Instrumente und Möglichkeiten. „Gegen das Lukaschenko-Regime wurde bereits eine ganze Reihe von Sanktionspaketen verhängt. Die Europäische Union kann zwar immer noch auf diesem Wege Lukaschenko Probleme bereiten, aber das Sanktionsinstrumentarium wird erst einmal für später aufgehoben. Denn man versteht in Europa, dass es neben Sanktionen keine großen Möglichkeiten gibt, Lukaschenko zu beeinflussen und zu bestrafen“, erläutert Friedman.
„Ein gewisser Status quo hat sich eingestellt. Das Lukaschenko-Regime vermeidet eine weitere Zuspitzung im Verhältnis zur EU: Wütende und harte Worte gibt es schon, aber es folgen keine Handlungen.“ In Europa gelte das Prinzip „Keine Strafe ohne Schuld“, so der Analytiker, das heißt, die Strafe folgt nur dem begangenen Verbrechen. Dabei sehe die Europäische Union zwar, dass Lukaschenko seine Repressionspolitik fortsetzt, aber die innenpolitische Lage in Belarus beschäftige die Europäer nicht so sehr. Sie finden diese Entwicklungen nicht gut, sagen aber offen: „Tut uns leid, heute gibt es in Europa Probleme, die viel ernster sind als Lukaschenkos Repressionen innerhalb des Landes.“
Der Krieg in der Ukraine und die politischen Prozesse in den EU-Ländern würden von der Situation in Belarus ablenken. Aber es wäre unmöglich, dass die EU einmal einfach die Augen vor den Geschehnissen in Belarus verschließt. „Das wird nicht passieren. Es werden weiterhin Erklärungen abgegeben, die Kritik an Lukaschenko wird anhalten, aber niemand wird ihn je wieder in den Club der zivilisierten Länder einladen“, schließt der Experte.