Die ukrainische Flagge und ein Kalender für 2021: Aus welchen Gründen man im November Belarusen verhaftet hat
11 Menschen pro Tag — mindestens 354 Belarusinnen und Belarusen wurden im November festgenommen, weil sie gegen die Diktatur und den Krieg in der Ukraine protestiert haben, berichtet das Menschenrechtszentrum „Viasna“. Verhaftungen, Gerichtsverfahren, Schläge und Folter finden jeden Tag in ganz Belarus statt.
Im November haben die Richter mindestens 206 Ordnungswidrigkeiten geprüft, die zu 95 Verhaftungen und 31 Geldstrafen führten. Am häufigsten wurden die Handys und Computer der Verhafteten konfisziert. „Viasna“ hat die traditionelle Liste der seltsamsten und lächerlichsten Gründe zusammengestellt, aus denen Belarusinnen und Belarusen im November verurteilt wurden.
Die Flagge der Ukraine im Fenster der Wohnung
Mitte November wurde ein Mann in Minsk festgenommen, weil er eine ukrainische Flagge ans Fenster seiner Erdgeschosswohnung gehängt hatte. Die gelb-blaue Flagge wurde am 16. November von der Polizei bemerkt, und am nächsten Tag wurde der Mann wegen einer nicht genehmigten Mahnwache zu 13 Tagen Gefängnis verurteilt.
Gelb-blaues Feuerwerk
Am 3. November wurde eine Einwohnerin der Stadt Lida vor Gericht gestellt, weil sie „eine einsame Mahnwache zur Feier des ukrainischen Unabhängigkeitstages abgehalten hat: Als ein Feuerwerk in den Farben der Flagge des Landes gezündet wurde, nahm sie ein Video auf und lud es auf ihrer Instagram-Seite hoch“. Die Frau hat ihre Schuld vor Gericht nicht bestritten. Sie stellte jedoch fest, dass sie nicht wusste, dass diese Aktionen illegal waren. Sie wurde zu einer Geldstrafe in Höhe von 640 Rubel (etwa 240 Euro) verurteilt.
Verkauf eines Kalenders im Internet
Anfang November wurde in Minsk nach einer Beschwerde eines „besorgten Mitbürgers“ ein Mann festgenommen, der im Internet eine Anzeige für den Verkauf eines Kalenders für das Jahr 2021 geschaltet hatte, auf dem eine Abbildung des historischen belarusischen Wappens „Pahonja“ (das bis 1995 als offizielles Wappen galt) sowie der Text „Es lebe Belarus! – Lebe für immer!“ zu sehen waren. Dieser Slogan wurde im November dieses Jahres von der belarusischen Polizei zu einer Naziparole erklärt, obwohl er nur als solche gilt, wenn er in Verbindung mit einer erhobenen Hand mit ausgestreckter Handfläche ausgesprochen wird. Der junge Mann sagte dem Gericht, er habe die Anzeige Anfang Oktober hochgeladen und diese nicht als Verbrechen angesehen. Er wurde zu 15 Tagen Haft verurteilt.
Der Rassismus der Strafverfolgungsbehörden
Es ist bekannt, dass Walter Goma Anfang November in Minsk festgenommen wurde, weil er sich angeblich „weigerte, aus dem Dienstwagen auszusteigen, Widerstand leistete und sich an der Autotür festklammerte“. Der Mann erklärte, dass er sich weigerte, aus dem Auto auszusteigen, weil er dachte, dass es ein Streich sei. Er wurde für 13 Tage inhaftiert. Die Verhaftung wurde durch ein Video des belarusischen staatlichen Sicherheitsdienstes bekannt, in dem das Lied „Der Schwarze wurde umgebracht“ im Hintergrund läuft. Im Beitrag wurde immer wieder das „farbige“ Aussehen des Inhaftierten betont, und die Videodatei selbst trägt den spöttischen Namen „BLM“ — eine Anspielung auf die US-Bewegung „Black Lives Matter“ und die Proteste gegen Rassismus.