Belarusen in Schweden fordern einen Abschiebestopp für Flüchtlinge aus Belarus
Trotz der Gefahr der Todesstrafe schiebt die schwedische Migrationsbehörde weiterhin Asylbewerber aus Belarus ab. Migrationsminister Anders Ygeman muss handeln und die Deportationen stoppen. Belarus ist ein lebensbedrohliches Land für jeden, der jemals eine freie Meinung geäußert hat, schreibt die schwedische Ausgabe des Global Bar Magazine Inga-Lina Lindqvist und Dmitri Wasserman von der Belarusischen Volksbotschaft in Schweden sowie Viktoria Valkovich, Vorsitzende des Verbands der Belarussen in Schweden.
500 Kilometer von Schweden entfernt liegt Belarus, wo eines der repressivsten Regimes der Welt die Macht ergriffen hat. Belarus ist das einzige Land in Europa, in dem die Todesstrafe verhängt wird. Es wäre keine Übertreibung, Belarus mit Nordkorea zu vergleichen. Laut dem Demokratiebericht des V-Dem Instituts an der Universität Göteborg belegt Belarus in Sachen Demokratie den fünften Platz von unten. Schlechter schneiden nur Jemen, Afghanistan, Nordkorea und Eritrea ab.
Eine kürzlich verabschiedete Änderung des Strafgesetzbuchs lässt die Todesstrafe für „versuchten Terrorismus“ zu. In Belarus kann dies alles Mögliche bedeuten, beispielsweise, dass man während einer Demonstration versehentlich auf die Fahrbahn gelangt ist und diese somit „blockiert“ hat. Proteste gegen Russlands Krieg in der Ukraine und die Unterstützung von EU-Sanktionen könnten ebenfalls als terroristische Straftaten abgestempelt werden.
Trotz dieser dieser Umstände betrachtet die schwedische Migrationsbehörde Belarus als ein sogenanntes sicheres Land. Laut den Daten für das Jahr 2021 werden 98 % der Asylbewerber aus Belarus abgelehnt. Die schwedische Migrationsbehörde erklärt, dass alle Fälle individuell geprüft werden. Belarussen, die Asyl beantragen, müssen nachweisen, dass sie verfolgt werden.
Der schwedischen Migrationsbehörde fehlt ein grundlegendes Verständnis davon, wie Lukaschenkos Terrormaschine funktioniert.
Alle Belarussen, die jemals für einen oppositionellen Präsidentschaftskandidaten gestimmt, an friedlichen Protesten teilgenommen oder regimekritische Beiträge in den sozialen Medien verfasst haben, müssen in ständiger Angst leben. Eine Person kann ein normales Leben ohne irgendwelche konkreten Drohungen führen – und wird dann plötzlich verhaftet, gefoltert, zur Aufnahme eines erniedrigenden „Geständnis- oder Buß-Videos“ gezwungen und zu einer langen Haftstrafe verurteilt. Die langsame und methodische Terrormaschine hält die Menschen in ständiger Angst.
Die Bestrafung für die Teilnahme an friedlichen Demonstrationen im Jahre 2020 könnte zu einem beliebigen Zeitpunkt kommen. Solange Lukaschenko an der Macht bleibt, gibt es keine Verjährungsfrist. Am 20. Juli 2022 wurde die 27-jährige Angelika Yermak verhaftet. In einem demütigenden „Buß-Video“ musste sie sich dafür entschuldigen, dass sie zwei Jahre zuvor Selfies mit Einsatzkräften im Hintergrund gemacht hatte. Nun droht ihr eine lange Haftstrafe.
Das Regime überwacht die Aktivitäten der Menschen in den sozialen Netzwerken, und bereits ein einfacher „Like“ kann als Straftat gewertet werden: Der 37-jährige Rettungshelfer Aljaxandr Kurhanski wurde im Dezember 2021 verhaftet. Er setzte einen „Like“ bei einem Facebook-Post über eine brisante Verhaftung, bei der eine KGB-Truppe in der Wohnung eines Dissidenten Feuer eröffnete und zwei Menschen starben, nämlich der zu verhaftende Dissident und ein KGB-Mitarbeiter. Kurhanski wird nun wegen „Anstiftung zum sozialen Unfrieden“ angeklagt und muss mit bis zu 12 Jahren im Gefängnis rechnen. Mehr als 200 Belarussen sitzen in Haft, weil sie diesen Vorfall kommentiert haben, darunter auch ein Journalist, der positive Aussagen von Bekannten über den ermordeten Dissidenten veröffentlichte.
Nicht zuletzt kann niemand, der abgeschoben wird oder nach Belarus einreist, wissen, ob er oder sie sich auf der geheimen Liste der „Terroristen“ steht. Im April 2022 wollte Alesja Bunevich, die in Vilnius lebt, das Grab ihrer Mutter in Belarus besuchen. Nach ihrer Ankunft wurde sie verhaftet und befindet sich nun in Untersuchungshaft, da ihr die Beteiligung an einem „terroristischen Akt“ vorgeworfen wird. Bei Frauen wird die Todesstrafe nicht verhängt, so dass Alesja „nur“ acht bis 20 Jahre im Gefängnis drohen könnten.
Weder Angelika, noch Aljaxandr oder Alesja konnten ahnen, geschweige denn beweisen, dass sie verfolgt wurden. Keiner von ihnen war ein prominenter Aktivist oder erhielt konkrete Drohungen. Aber sie können nun damit rechnen, das nächste Jahrzehnt in Lukaschenkos Foltergefängnissen zu verbringen. Zehntausende andere Menschen befinden sich in der gleichen Situation wie sie. Unter diesen Umständen stellt die Abschiebung nach Belarus einen Verstoß gegen das internationale Recht auf Asyl dar. Belarus ist ein lebensbedrohliches Land für jeden, der jemals eine freie Meinung geäußert hat.
Wir appellieren an den Migrationsminister Anders Ygeman und die schwedische Migrationsbehörde, ihren Job zu machen. Streichen Sie Belarus aus der Liste der sicheren Länder und bieten Sie allen verfolgten Belarussen Asyl in Schweden an!