Politische Gefangene in Belarus 2023. Infografiken
Die Repressionen in Belarus dauern seit Beginn des Wahlkampfs 2020 mehr als dreieinhalb Jahre an. Leider hat sich die Situation deutlich verschlechtert. Jeden Tag gibt es im ganzen Land willkürliche Verhaftungen. Die Belarus*innen sind täglichen Durchsuchungen, Smartphone-Kontrollen, Misshandlungen während der Verhaftungen und schrecklichen Bedingungen in den Gefängnissen ausgesetzt. Sie werden auch geschlagen und gefoltert. Mindestens 1.430 politische Gefangene befinden sich derzeit in Haft. Darunter sind Mütter vieler Kinder, Rentner, Studenten, Ärzte, Menschenrechtsaktivisten, Journalisten, Lehrer, Kulturschaffende und andere Vertreter der belarusischen Gesellschaft. Viasna gibt einen Überblick über die Situation mit politischen Gefangenen im Jahr 2023.
Zum 4. Januar 2024 gibt es 1,430 politische Gefangene in Belarus. Die Mehrheit besteht aus Männern mit insgesamt 1.263 Personen. Derzeit befinden sich auch 167 Frauen in Haft.
Ende 2023 zählten mindestens 27 Familien zu den politischen Gefangenen, die entweder verurteilt wurden oder auf einen Prozess in Haft warteten. Dazu gehören festgenommene Ehepartner und Eltern zusammen mit ihren Kindern.
Im Dezember 2023 wurden neun politische Gefangene in Haft 18 Jahre alt. Außerdem befindet sich jetzt Mikita Brui, ein 17-jähriger Familienangehörige des belarusischen Dichters Yakub Kolas, hinter dem Gitter und wird zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Der Teenager hat bereits begonnen, seine Haft in einer Jugendstrafanstalt abzusitzen.
Derzeit sind verhaftet:
- 152 Kulturschaffende;
- 32 Medienvertreter;
- 16 Ärzte;
- 6 Rechtsanwälte;
- 6 Menschenrechtsverteidiger.
Derzeit werden fünf Viasna-Menschenrechtsverteidiger in Strafanstalten festgehalten, darunter der Viasna-Vorsitzende Ales Bialiatski, sein Stellvertreter Valiantsin Stefanovich, der Anwalt Uladzimir Labkovich, die Koordinatorin des Viasna-Freiwilligendienstes Marfa Rabkova und der Freiwillige Andrei Tschapjuk. Alle wurden zu langen Haftstrafen verurteilt.
Unter den politischen Gefangenen befinden sich mindestens 48 Rentner — doppelt so viele wie 2022. Natallja Taran, die 74 Jahre alt ist, bleibt die Älteste von ihnen. Sie wurde nach diffamierenden Artikeln des Strafgesetzbuches zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.
Mindestens 42 Menschen mit Behinderungen oder schweren Krankheiten leiden unter unmenschlichen Haftbedingungen. So leiden mindestens acht politische Gefangene an Krebs. Einige litten bereits vor der Festnahme an Krebs, und andere wurden während der Haft diagnostiziert. In beiden Fällen verschlechtert eine mangelhafte medizinische Versorgung den Gesundheitszustand der Personen. Deswegen können die festgesetzten Freiheitsstrafen für sie zu lebenslangen Strafen werden.
Mikalaj Klimowitsch, ein 61-jähriger politischer Gefangener, Blogger und öffentlicher Aktivist aus Pinsk, starb im Mai 2023 in der Justizvollzugsanstalt Nr. 3. Er wurde wegen seiner Reaktion auf eine Karikatur von Lukaschenko in den sozialen Medien Odnoklassniki zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Mikalai hatte eine Behinderung der Gruppe II, die durch eine Herzerkrankung verursacht wurde. Er erlitt einen Schlaganfall und unterzog sich einer komplexen Herzoperation. Trotzdem verurteilte ihn das Gericht in Pinsk zu einer Freiheitsstrafe.
In der Nacht auf 11. Juli starb der 57-jährige politische Gefangene Ales Puschkin auf der Intensivstation. MOST Media berichtete unter Berufung auf ihre Quellen, dass Ales ein perforiertes Magengeschwür hatte und im Gefängnis nicht rechtzeitig behandelt wurde. Der Künstler wurde am 11. Juli bewusstlos ins Krankenhaus gebracht, und sein Herz blieb auf dem Operationstisch stehen.
Menschenrechtsaktivisten berichten, dass 771 Personen ihre Strafen aus politischen Gründen in Justizvollzugsanstalten verbüßen, 178 in offenen Justizvollzugsanstalten, 54 im Gefängnis, 7 in Jugendstrafanstalten und 2 in einem psychiatrischen Zentrum.
Mehrere andere politische Gefangene verbüßten Verwaltungshaft in vorübergehenden Haftanstalten. Der Verbleib von mindestens 273 politischen Gefangenen ist den Menschenrechtsverteidigern von Viasna nicht genau bekannt.
Seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine haben die Belarus*innen aktiv eine Antikriegs-Haltung gezeigt. Sie haben Märsche und kleine Proteste organisiert, Eisenbahnanlage beschädigt, um die Bewegung russischer Militärausrüstung zu behindern, im Informationskrieg geholfen und an der Seite der Ukraine gekämpft.
Die Menschen in Belarus werden immer noch verfolgt und administrativ zur Verantwortung gezogen, weil sie die Ukraine offen unterstützen. Insgesamt wurden im Jahr 2023 mindestens 33 politische Gefangene wegen Äußerung einer Antikriegsposition zu einer Strafe verurteilt. Sie waren alle strafrechtlich verhaftet.
Politische Gefangene stehen auch nach ihrer Verlegung in Strafvollzugsanstalten weiterhin unter Druck. Die Verwaltung von Strafvollzugsanstalten schreibt den Gefangenen häufig die Ordnungswidrigkeiten zu, was dazu führt, dass Anrufe, Pakete und Besuche entzogen werden oder die Gefangene in Strafzellen untergebracht werden.
Dies wird zu einer Grundlage für eine verstärkte Bestrafung: Versetzung in Hochsicherheitsgefängnisse oder die Einleitung eines Strafverfahrens wegen anhaltender Missachtung von Anordnungen der Gefängnisverwaltung.
Laut Viasna wurden zum 31. Dezember 2023 mindestens 66 politische Gefangene in Hochsicherheitsgefängnisse verlegt und gegen weitere 32 neue Strafverfahren eingeleitet.
Seit den ersten Verurteilungen in politisch motivierten Strafsachen haben mindestens 745 politische Gefangene ihre Strafe vollzogen und wurden freigelassen.
Mindestens 1.430 politische Gefangene begrüßten das neue Jahr hinter Gittern. 185 von ihnen verbrachten den Feiertag zum vierten Mal ohne ihre Familien und Verwandten. Diese politischen Gefangenen befinden sich seit fast dreieinhalb Jahren in Haft.