„Löwenzahnkinder“. Belarusische Jugendliche singen über ihre Gefühle im Exil
Die belarusische Rockband Atesta veröffentlichte ein Video mit dem Titel „Löwenzähne”, in dem sie die Gefühle von Jugendlichen aufgreift, die gezwungen waren, ihre Heimat zu verlassen. Die Band weiß, wovon sie singt: Die Lead-Sängerin musste im Alter von 17 Jahren selbst ins Exil. Uljana Paulowitsch sprach mit Belsat über das Lied und ihre eigenen Gefühle.
Wie die Band sagt, ist „Löwenzähne“ nicht nur eine Reflexion, sondern eine persönliche Geschichte darüber, wie „man plötzlich alles verliert“. Im Video erzählen junge Migrant*innen aus Belarus und der Ukraine darüber, wie sie ihren Platz in einer neuen und fremden Umgebung suchen. Uljana Paulowitsch, Sängerin von Atesta, sagte, dass sie einfach darüber schrieb, was sie fühlte — das Elend des Exils. Sie erklärt es so: Als die „Löwenzahn“-Belarus*innen das Land verlassen haben, haben sich ihre Samen auf der ganzen Welt verbreitet und die „Löwenzahnkinder“ suchen nun ein neues Land, in dem sie wachsen können. Uljana hat noch keinen festen Boden an dem neuen Ort gefunden: „Vielmehr war es die Luft, in der ich Wurzeln schlug.“
„Ich bin mir nicht sicher, wie ich hier leben soll“, sagt sie über Polen. — Natürlich träume ich davon, nach Belarus zurückzukehren. Ich hoffe, all diese Kinder träumen auch davon, dorthin zurückzukehren. Kinder… Jugendliche! Aber man muss trotzdem irgendwie sich bemühen weiter zu leben, nach neuen Freunden und Bekannten zu suchen, sich kreativ zu betätigen, nach einem Job, nach einem neuen Zuhause zu suchen.“
Die Sängerin musste „aus demselben Grund wie alle anderen auch“ auswandern. Zunächst gab es keine direkte Verfolgung für ihre früheren Werke (und Atesta hatten sowohl vor den Protesten als auch nach der Verschlimmerung der politischen Lage gesungen), aber man spürte in der Schule immer öfter, dass die Behörden auf sie aufmerksam geworden sind. Jetzt wird die Band ganz offiziell der „Finanzierung extremistischer Aktivitäten“ beschuldigt. Aus ihrer eigenen Erfahrung und aus dem, was sie von anderen gehört hat, sieht Uljana die Einsamkeit als das Hauptproblem jugendlicher Einwanderer. Ein weiteres Problem sei das mangelnde Verständnis seitens der mit ihren eigenen Sorgen beschäftigten Erwachsenen, dass auch ihre Kinder eigene Probleme haben. Es spielt keine Rolle, ob es um Jugendliche mit der Familien geht oder um selbständige Studierende – die Einsamkeit kann sowohl in einem überfüllten Club als auch in einem Haus voller geliebter Menschen erlebt werden.
„Jeder trägt seinen Himmel mit sich, also trage ich meinen Hrodna mit mir. Jedes Mal, wenn ich meine Heimatstadt zeichne, ist es wie eine Rückkehr dorthin, eine Gelegenheit, in meinen Gedanken, in meinem Kopf durch die Straßen der Stadt zu gehen“, sagt einer der Protagonisten im Video.
Junge Menschen im Exil sagen, dass sie in letzter Zeit viel mit Angst zu kämpfen haben. Die größte Angst ist, allein gelassen zu werden, die Menschen zu verlieren, die sie unterstützen, denn sie befürchten, dass sie allein nicht zurechtzukommen. Es ist sehr schwierig und beängstigend, an einem neuen Ort die Kommunikation aufzubauen und neue Freunde zu finden, auch wegen der Sprachbarriere.
„Freunde bleiben oft in einem anderen Land“, sagt Uljana, „und ein Anruf alle sechs Monate oder eine Korrespondenz zweimal pro Woche reichen nicht aus.“ Ein junger Mann aus der Ukraine, der in dem Video zu sehen war, erzählte: Bevor er seine Heimat verließ, hatte er eine beste Freundin, und als er zurückkehrte, begrüßte sie ihn nicht einmal. Der Jugendliche hat sich dann einer Theatergruppe angeschlossen, fand dort seinen Platz und spielt nun erfolgreich im Theater.