KGB organisiert Großrazzia bei Angehörigen politischer Gefangener
In ganz Belarus führten am 23. Januar Geheimdienstbeamte Massendurchsuchungen, Verhöre und Festnahmen von Angehörigen politischer Gefangener sowie von ehemaligen politischen Gefangenen durch, die kürzlich freigelassen wurden und im Land geblieben waren. Laut Informationen von Viasna waren mindestens 157 Menschen betroffen.
Nach den Durchsuchungen wurden viele Menschen zum Verhör mitgenommen und dann mit einer Geheimhaltungserklärung freigelassen. Doch längst nicht alle kamen wieder auf freien Fuß — Menschenrechtsaktivisten versuchen herauszufinden, wo und in welchem Status sie sich befinden. Ersten Informationen zufolge war der Grund für das geheimdienstliche Vorgehen die Unterstützung der Familien politischer Gefangenen durch die Initiative INeedHelpBY, die von den Behörden als „extremistische Vereinigung“ eingestuft wurde.
Was ist über Massendurchsuchungen und Festnahmen bekannt?
Am 23. Januar begannen Geheimdienstbeamten mit Durchsuchungen der Angehörigen politischer Gefangener schon ab Morgen an. Sie kamen zu den einen nach Hause und zu den anderen direkt zur Arbeit. Nach den Durchsuchungen nahmen die Sicherheitskräfte sie zum Verhör mit, in einigen Fällen — mit der ganzen Familie. Die Telefone einiger Häftlinge wurden zur „Überprüfung“ abgenommen, und manche erhielten ihre Telefone mit einem installierten Telegram-Bot namens „Magnet“, der es den Sicherheitskräften ermöglicht, das Telegramm von Personen aus der Ferne zu überwachen.
Verwaltungsprotokolle wurden gegen diejenigen erstellt, die „extremistische Repostings und Abonnements“, hatten, oder gegen diejenigen, die angeblich während der Befragung laut waren. Zum Beispiel wurde Maryna Adamowitsch, die Frau des politischen Gefangenen und ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Mikalaj Statkewitsch, wegen „ungebührlichen Verhaltens“ zu 15 Tagen verurteilt.
Auch der ehemalige politische Gefangene Aljaxej Ramanau, bei dem zuvor eine Krebserkrankung diagnostiziert worden war, wurde nach der Festnahme nicht freigelassen. Er wurde wegen des Verdachts der Teilnahme an einer „extremistischen Vereinigung“ zum Verhör in die KGB-Zentrale gebracht.
Wie die INeedHelpBY-Initiative und Supermarktlieferungen damit zu tun haben
Es wurde bekannt, dass das Projekt INeedHelpBY, das den Repressierten Nahrungsmittelhilfe leistete, als „extremistische Formation“ anerkannt wurde. Auf der Website der Initiative wird angegeben, dass sie seit 2020 bereits Unterstützung in Höhe von 1.551.400 US-Dollar etwa 15.000 Mal geleistet hat. Dafür nutzte die Initiative die beliebten Dienste „Hippo“ sowie „Edostavka“ von „Euroopt“. Mit Hilfe von diesen Diensten kann man die Lieferung im Geschäft bestellen und entweder online oder nach Erhalt der Produkte bezahlen.
Laut Menschenrechtsaktivisten war es die Hilfe von INeedHelpBY, die in vielen Fällen die Sicherheitskräfte interessierte. Unter anderem fragten die Mitarbeiter, „wer mit Paketen hilft und wer für Einkaufskörbe bezahlt“. Einigen wurden Ausdrucke von Zahlungen aus „E-Einkaufskörbern“ vorgezeigt, es wurde in den Händys nach Geräten ausländischer Banken gesucht und auch Erklärungen zu Geldüberweisungen auf eine belarussische Karte aus dem Ausland gefordert. Es wird berichtet, dass die Sicherheitskräfte angeblich die Zahlungen für Dienstleistungen von litauischen und polnischen Karten einsehen und Informationen über die Zahlungsbeträge sammeln.
Die Anerkennung der Initiative als „extremistische Formation“ hat jedoch schwerwiegende Folgen für diejenigen, die sich an sie um Hilfe gewandt haben. Jetzt kann jede Zusammenarbeit mit INeedHelpBY strafrechtlich haftbar gemacht werden, als Teilnahme an einer extremistischen Formation und Mitwirkung bei extremistischen Aktivitäten. So versuchen die Behörden, die Solidarität der Belarussen zu zerstören und die Belarussen hilflos gegenüber der Repressionen zu lassen. Doch Menschenrechtsaktivisten fordern, sich in solchen schwierigen Zeiten auf sichere Weise gegenseitig zu unterstützen.
„Dies ist eine unangemessene Reaktion auf legitime Tätigkeit öffentlicher Strukturen“
Der Menschenrechtsaktivist von „Viasna“ Pawel Sapelka kommentierte den Angriff der Sicherheitskräfte auf Angehörige und Freunde politischer Gefangener und erinnerte auch an Sicherheitsmaßnahmen, die dazu beitragen werden, Verfolgung zu vermeiden.
Der Angriff auf Menschen und Initiativen, die die Belarussen unter schwierigen Bedingungen nicht ohne Hilfe lassen, hat mehrere Ziele, unter den wichtigsten sind folgende: Solidarität zu rächen, die Unterstützungsstruktur zu zerstören und die an dieser Aktivität beteiligten Personen einzuschüchtern.
Alle Angriffe des Regimes haben nichts mit dem Schutz von Recht und Ordnung zu tun, dies ist eine unangemessene Reaktion auf die legitimen Aktivitäten öffentlicher Strukturen, die Behörden versuchen jedoch nicht, dies zu verbergen. Wohltätige Hilfe für Menschen in einer schwierigen Situation kann an sich keine Gefahr für die Verfassungsordnung und das Funktionieren des Staates und seiner Institutionen darstellen, wenn es sich natürlich nicht um ein totalitäres Regime handelt, das die Unterstützung des Volkes verloren hat, die Macht mit Gewalt usurpiert hat und nur mithilfe der Repressalien existiert.
Wir empfehlen Ihnen, sich mit den Regeln der digitalen Sicherheit vertraut zu machen und diese strikt zu beachten: Lassen Sie keine Videos, Bilder, Abonnements, Re-Posts von Materialien aus von den Behörden verbotenen Ressourcen auf Ihren digitalen Geräten. Schließlich ist es die Nichteinhaltung dieser Empfehlungen, die am häufigsten zu Freiheitsentzug führt. Wenn Sie in Sicherheit sind, unterstützen Sie Initiativen, um politischen Gefangenen und ihren Familien zu helfen, entwickeln Sie ein dezentrales Netzwerk von Solidaritätsaktionen.