Das letzte Wort des Nobelpreisträgers Ales Bialiatski vor Gericht
Das Strafverfahren gegen den Nobelpreisträger und Vorsitzenden des Menschenrechtszentrums „Viasna“ Ales Bialiatski, seinen Stellvertreter Waljanzin Stefanovitsch, den Koordinator der Kampagne „Menschenrechtler für freie Wahlen“ Uladzimir Labkovich und den Menschenrechtler Dsmitry Salaujou wurde beendet. (Gegen Salaujou wurde in seiner Abwesenheit verhandelt.) Der Staatsanwalt beantragte für die Menschenrechtler zwischen 9 und 12 Jahren Haft. Das Urteil wird am 3. März verkündet.
In seinem letzten Wort sagte Ales Bialiatski am 13. Februar vor Gericht unter anderem Folgendes:
„Das Strafverfahren gegen uns, die „Viasna“-Menschenrechtler, ist politisch motiviert. Die ganzen 284 Aktenbänden, die Hunderte von Durchsuchungen und Vernehmungen im ganzen Land haben nichts mit einem gesetzmäßigen Ermittlungsverfahren gemeinsam, obendrauf kommt noch politischer Hintergrund. Nach diesem so genannten Ermittlungsverfahren gab es auch keine faire Gerichtsverhandlung.
Anderthalb Jahre dauerten die Ermittlungen in der so genannten Strafsache. Von vier Rechtsanwälten, die mich in verschiedenen Phasen verteidigten, ist einer Vitaly Brahinets, der im Gefängnis landete und zu acht Jahren Haft verurteilt wurde. Zwei weiteren wurde in den letzten Monaten ihre Zulassung entzogen. Und nur eine Rechtsanwältin schaffte es bis ans Ziel. Ein derart beispielloser Druck auf Rechtsanwälte zeigt, in welch schwierigen und gefährlichen Bedingungen sie ihre Mandanten verteidigen müssen.
Eine außerordentliche Situation entstand im Gericht in Bezug auf die Sprache: Die Staatsanwaltschaft und das Gericht weigerten sich kategorisch, belarusisch zu sprechen, trotz der Tatsache, dass ich, der Angeklagte, belarusischsprachig bin. Ich spreche, schreibe und denke in belarusischer Sprache. Ich erinnere Sie daran, dass belarusisch eine der Staatssprachen ist, und Sie als Staatsbeamte beide Staatssprachen beherrschen müssen, auch die belarusische.
Die Staatsanwaltschaft und das Gericht verzichteten praktisch auf die Vernehmung, auf die Fragen, welche sie während des Verfahrens und meiner anderen Vernehmungen interessiert hatten. Es entsteht der Eindruck, dass weder die Staatsanwaltschaft noch das Gericht sich auch nur ansatzweise für die Wahrheit interessieren. Für sie war alles von Anfang klar, noch vor der Gerichtsverhandlung. Ich erinnere Sie daran, dass weder die Staatsanwaltschaft noch das Gericht mir die Möglichkeit gaben, in alle 284 Aktenbände der so genannten Strafsache Einsicht zu nehmen.
In unserer Geschichte geschah so etwas nur während der Zarenzeit und während der düsteren Stalin-Epoche, bis zu seinem Tod im Jahr 1953. Anfang der 80er Jahre, auf dem Höhepunkt des Kampfes der UdSSR gegen Dissidenten, Menschenrechtler, Aktivisten von nationalen und religiösen Bewegungen, gab es im gesamten riesigen Sowjetimperium, in dem 250 Millionen Menschen lebten, etwa 3.000 politische Gefangene. Und zurzeit gibt es allein in Belarus 1.500 politische Gefangene.
Die tiefgreifende Krise unseres Landes ist für die Souveränität von Belarus sehr gefährlich. […] Im Namen der Erhaltung eines souveränen Belarus, im Namen der Zukunft unseres Volkes müssen wir alle – und insbesondere die Machthabenden – weise und weitsichtig sein. Man muss einen breit angelegten gesellschaftlichen Dialog einleiten, der die nationale Versöhnung als Ziel haben muss, auch wenn es noch so schwierig erscheinen mag. Die Voraussetzung für diesen Dialog sollte die Freilassung aller politischen Gefangenen, eine umfassende Amnestie und das Ende von Repressionen sein. Denn eine Amnestie hat keinen Sinn, wenn Menschen einerseits freigelassen und andererseits weiterhin inhaftiert werden.
Es reicht, dieser Bürgerkrieg muss gestoppt werden!“
Im Jahr 2022 wurde Ales Bialiatski der Friedensnobelpreis verliehen. Über den Werdegang vdes Nobelpreiströgers können Sie sich nun, auch dank dem Team von Voice of Belarus, auf Englisch, Französisch, Deutsch und Polnisch auf einer dafür erschaffenen Website informieren.
Dem Menschenrechtler und seinen Kollegen wird vorgeworfen, in den Jahren 2016-2020 „Schmuggel durch eine organisierte Gruppe“ betrieben zu haben und im Jahr 2020 während Massenproteste nach der Präsidentschaftswahl „aktivе Handlungen von Gruppen finanziert zu haben, welche die öffentliche Ordnung grob verletzten“.