Sprachliche Diskriminierung: Eine Unterhaltung auf Belarusisch kann in Belarus zur Festnahme führen
Alina Nahornaja, Menschenrechtlerin und Mitbegründerin der Initiative „Umowy dlja mowy“, und ihr Partner Ihar Slutschak können durch Verfolgung bereits seit einem Jahr nicht heimkehren und wechseln regelmäßig ihren Wohnort. Doch sie denken nicht daran, Belarus zu verlassen. Es handelt von sprachlicher Diskriminierung, denn wer in Belarus belarusisch spricht, muss damit rechnen, beleidigt, verfolgt und sogar verhaftet zu werden. Wir veröffentlichen einen Auszug aus ihrem Buch.
„Ende der 90er Jahre waren zwei Jungs in der Nähe des Republik-Palastes auf Skateboards unterwegs. Miteinander sprachen sie Belarusisch. Dann wurden sie von Polizisten umringt, die ihnen sagten, sie würden ihnen jetzt die richtige Sprache beibringen. Einer von den Teenagern sagte, dass Belarusisch die Staatssprache sei, und kassierte dafür einen Stockschlag auf den Rücken. Daraufhin wurden beide festgenommen.
Im Jahr 2015 ging eine Gruppe Musiker nach einem Konzert auf ein Bier in die Bahnhofskneipe. Neben ihnen stand eine leere Wodkaflasche. Als eine Polizeistreife diese Flasche bemerkte, kam sie auf die Gruppe zu. Die jungen Leute antworteten auf Belarusisch, dass es nicht ihre Flasche sei, dass sie eben erst angekommen wären und ein Bier trinken wollten. Daraufhin wurde ihnen gesagt, dass alle belarusischsprachigen Menschen Abschaum seien. Als die jungen Leute darauf etwas entgegneten, fesselte man sie und schleppte sie zur Polizeiwache. Auf der Wache schlug man ihnen vor, Russisch zu sprechen und sich belarusisch „in den Arsch zu schieben“. Schließlich wurde einer der Musiker von mehreren Polizisten verprügelt, bis sein Körper mit Blauflecken übersät war. Danach bekam er eine Geldstrafe und wurde freigelassen, aber der junge Mann konnte nicht mehr aufstehen, da sich herausstellte, dass sein Bein gebrochen war. Diese Geschichten spielten sich noch vor 2020 ab, und unzählige sind ab dem Beginn der Proteste passiert…
Solche Geschichten finden deshalb statt, weil wir sprachliche Diskriminierung zulassen. Die russische Sprache in Belarus ist das Ergebnis jahrelanger Gewalt gegen unsere Kultur. In unserem Land muss man seine Rechte verteidigen. Das gilt insbesondere für das Recht auf die belarusische Sprache, denn die Geschichte zeigt, dass es ohne sie keine Freiheit geben wird. Der Mensch braucht seine Sprache, um sich seiner Würde bewusst zu sein, um Bodenhaftung zu behalten, um stolz auf seine Heimat zu sein. Die belarusische Sprache ist unverzichtbar, damit Belarus ein unabhängiges Land sein kann“.