Vor einem Jahr wurde Raman Bandarenka getötet
Der Name Raman Bandarenka ist zu einem tragischen Symbol der belarusischen Protestgeschichte des Jahres 2020 geworden. Vor dem Hintergrund der friedlichen Massenproteste in Belarus schlossen sich Nachbarn zusammen, begannen, Freundschaften zu schließen, Hofkonzerte und andere Veranstaltungen zu organisieren. Ein kleiner Innenhof in Minsk – der Platz des Wandels – ist zu einem der Symbole des Protests, der Selbstorganisation und der Solidarität der Belarus*innen geworden. Am 11. November 2020 ging Raman Bandarenka (31) auf den Hof, um herauszufinden, warum Unbekannte die weiß-rot-weißen Bänder auf dem Platz abschnitten. Dort wurde er von Unbekannten festgenommen und zusammengeschlagen. Menschen in Zivil und Masken transportierten ihn in einem Kleinbus ab. Laut BYPOL handelte es sich dabei um eine Spezialeinheit des Innenministeriums. Am Abend des 12. November 2020 starb Raman auf der Intensivstation an seinen lebensgefährlichen Verletzungen.
Der Mord an Raman Bandarenka löste in der belarusischen Gesellschaft eine Welle der Empörung aus. Nachdem sein Tod bekanntgegeben wurde, versammelten sich Tausende von Menschen am Ort der Tragödie, um das Andenken an Raman zu ehren. Am nächsten Tag fanden im ganzen Land Gedenkveranstaltungen statt. Auf dem Platz des Wandels wurde eine öffentliche Gedenkstätte errichtet. Doch drei Tage später – am 15. November 2020 – wurde die Kundgebung zum Gedenken an Raman von den Einsatzkräften gewaltsam aufgelöst, wobei Blendgranaten und Tränengas eingesetzt wurden. Nach einigen Schätzungen wurden damals über 1.100 Menschen festgenommen. Einige Stunden später wurde auch die öffentliche Gedenkstätte für Roman zerstört. Die Belsat-Journalistinnen Kazjaryna Andreewa und Darja Tschulzowa wurden wegen einer Live-Übertragung vom Tatort festgenommen und zu zwei Jahren Haft verurteilt.
Niemand wurde wegen des Mordes an Raman Bandarenka vor Gericht gestellt. Die Generalstaatsanwaltschaft erklärte, die Einsatzkräfte hätten nichts mit Bandarenkas Tod zu tun. Belarus*innen gedachten des Aktivisten Bandarenka, stellten Kerzen und Mahnmale auf. Auch Belarus*innen im Ausland hielten an diesem Tag Gedenkaktionen ab. „Ich gehe raus!“, dies war der Slogan der Aktion zum Gedenken an Raman Bandarenka vor der belarusischen Botschaft in Vilnius. Die Teilnehmer zündeten Kerzen an und ehrten mit einer Schweigeminute das Andenken des verstorbenen Helden von Belarus und aller unschuldig getöteten Belarus*innen. Unter den Anwesenden waren auch diejenigen, die Raman persönlich kannten.
„Manche mögen denken, dass es nicht nötig ist, diese Geschichte noch einmal zu erzählen, aber wir müssen uns nicht nur an Raman erinnern, sondern auch an die Namen derer, die für seinen Tod verantwortlich sind. Wir müssen uns an sie erinnern, denn sie versuchen, uns alles vergessen zu lassen. Aber wir werden auf ein faires, ehrliches und offenes Verfahren für die Beteiligten am Fall Raman – und an vielen anderen Verbrechen – warten. Wir werden auch die Namen unserer Helden und die Taten, die sie zu Helden von Belarus gemacht haben, nicht vergessen. Und heute bitte ich Sie, das Andenken an Raman Bandarenka, unseren nicht gleichgültigen Nachbarn, unsere Stimme des Gewissens, unseren getöteten, aber unsterblichen Helden des Wandels, zu ehren“, erklärte Swetlana Tichanowskaja in ihrer Ansprache.